Aufklärung über die Rechtsfolgen sowie die Geschäftsführerpflichten bei der Überschreitung der URG-Schwellenwerte

Der folgende Beitrag dient der Aufklärung über die rechtlichen Konsequenzen und Pflichten, die sich für die Geschäftsführung ergeben, wenn die Schwellenwerte (Eigenmittelquote < 8% und fiktive Schuldentilgungsdauer > 15 Jahre) nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz (=URG) erfüllt werden. Darüber hinaus wird in dem Beitrag auch auf weitere – in anderen Gesetzen normierte – Rechtsfolgen eingegangen, die aus der Überschreitung der Schwellenwerte resultieren.

Wir bitten Sie die nachfolgenden Ausführungen aufmerksam durchzulesen und sich allenfalls durch einen Rechtsanwalt weiterführend beraten zu lassen.

1.  Schwellenwerte nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz

Das Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) sieht gewisse Schwellenwerte vor, bei deren Überschreitung ein Reorganisationsbedarf vermutet wird. Neben dem Reorganisationsbedarf und den damit zusammenhängenden Haftungsbestimmungen nach dem URG knüpfen auch andere Gesetze an die Schwellenwerte des URG (dazu nachfolgend).

Gem § 22 Abs 1 Z 1 des URG wird ein Reorganisationsbedarf vermutet, wenn

  • die Eigenmittelquote im Sinne des § 23 URG weniger als 8% und
  • die fiktive Schuldentilgungsdauer im Sinne des § 24 URG mehr als 15 Jahre beträgt.

1.1. Haftung der Geschäftsführung bei prüfungspflichtigen Gesellschaften bei
           Überschreitung der Schwellenwerte nach dem URG 

Wird über das Vermögen einer prüfungspflichtigen juristischen Person innerhalb von zwei Jahren, nachdem der Abschlussprüfer auf das Vorliegen eines Reorganisationsbedarfs hingewiesen hat und nicht unverzüglich eine Antragstellung eines Reorganisationsverfahrens erfolgt, ein Insolvenzverfahren eröffnet, so sieht § 22 URG eine Haftung der Geschäftsführer bis max EUR 100.000,00 je Person für die durch die Insolvenzmasse nicht gedeckten Verbindlichkeiten vor.

Ebenso kommt es zur Haftung, wenn über das Vermögen einer prüfungspflichtigen juristischen Person ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Jahresabschluss nicht oder nicht rechtzeitig aufgestellt wurde oder nicht unverzüglich der Abschlussprüfer mit dessen Prüfung beauftragt wurde.

Die Haftungsbestimmungen gelten auch für unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Gemäß § 26 URG können diese Haftungsfolgen durch geeignete Maßnahmen (wie zB durch Einholen eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers, der den Reorganisationsbedarf verneint) vermieden werden.

Weitere Auswirkungen, die sich bei URG-Grenzwertüberschreibung ergeben, sind in den nachfolgenden Punkten 2 und 3 angeführt.

  2. Pflichten der Geschäftsführung nach dem § 36 Abs 2 GmbHG bei Überschreitung
       der Schwellenwerte nach dem URG sowie bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals

Als Geschäftsführer einer GmbH ergibt sich gemäß § 36 Abs. 2 GmbHG:

  • bei Verlust zumindest der Hälfte des Stammkapitals oder
  • wenn die Eigenmittelquote weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt (§ 23 URG),

die Pflicht zur Einberufung einer Generalversammlung. Diese Verpflichtung zur Einberufung bestehen durchaus auch unterjährig (und nicht nur nach Vorliegen des Jahresabschlusses). Bei längerfristigem Unter- bzw Überschreiten der erwähnten URG-Kennzahlen ist jedoch nur eine einmalige Einberufung notwendig. Die in diesem Zusammenhang von der Generalversammlung gefassten Beschlüsse sind dem Firmenbuchgericht mitzuteilen. Unterlässt der Geschäftsführer die Einberufung der Generalversammlung, macht er sich einer Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft schuldig. Erfolgt keine Mitteilung an das Firmenbuchgericht, könnte dies bei einer späteren Insolvenz zu Haftungsansprüchen der Gläubiger gegenüber dem Geschäftsführer führen.

Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in § 83 AktG.

    3. Pflichten nach dem Eigenkapitalersatzgesetz (=EKEG)

Gewährt ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, Genossenschaft mit beschränkter Haftung oder Personengesellschaft, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, in der Krise einen Kredit, hat dieser nach § 14 EKEG erst dann einen Rückzahlungsanspruch (samt Zinsen), wenn die Gesellschaft nachhaltig saniert wurde.

Gemäß EKEG befindet sich eine Gesellschaft in der Krise, wenn sie nach Insolvenzordnung zahlungsunfähig oder überschuldet ist, oder aus dem letzten Jahresabschluss ersichtlich ist, dass die URG-Kennzahlen nicht erreicht wurden oder dies bei rechtzeitiger Aufstellung ersichtlich gewesen wäre oder der Kreditgeber weiß oder es für ihn offensichtlich ist, dass ein Jahres- oder Zwischenabschluss dies aufzeigen würde.

Vom EKEG erfasst sind Gesellschafter mit einem Anteil von zumindest 25% oder bei Kontrolle (zB Mehrheit der Stimmrechte) oder Nichtgesellschafter, welche die Gesellschaft wie ein Mehrheitsgesellschafter faktisch beherrschen. Bei abgestimmter Kreditvergabe können auch Gesellschafter unter 25% erfasst sein.

Nicht unter das Eigenkapitalersatzrecht fallen:

  • Kredite, die vor der Krise gewährt und in der Krise verlängert bzw. deren Rückführung gestundet wurde.
  • Geldkredite für nicht mehr als 60 Tage
  • Waren- oder Dienstleistungskredite (kreditiert wird das Entgelt) für nicht mehr als 6 Monate oder auch für länger, wenn dies branchenüblich ist

Wird eine Sicherheit, welche der Gesellschafter leistete, durch Zahlung seitens der Gesellschaft an den Gläubiger frei, so hat die Gesellschaft gegen den Gesellschafter einen Erstattungsanspruch.

Die unzulässige Rückzahlung eigenkapitalersetzender Leistungen kann zu einer Haftung der dafür verantwortlichen Organmitglieder führen. In der Insolvenz besteht hinsichtlich der unzulässig rückgeführten Kredite Nachrangigkeit gegenüber den Insolvenzgläubigern. Nach der Judikatur erfüllt die Rückzahlung gesperrter eigenkapitalersetzender Darlehen den Tatbestand der betrügerischen Krida (§ 156 StGB).

4. Empfehlung

Wir empfehlen Ihnen daher:

a. laufende Überwachung der Eigenkapital- und Liquiditätssituation,
b. rechtzeitige Einbindung von Steuerberater/Wirtschaftsprüfer,
c. rechtliche Beratung durch Ihren Rechtsanwalt,
d. Dokumentation aller getroffenen Maßnahmen,
e. Dokumentation unter das EKEG fallender Kredite und Sicherstellung, dass es zu keiner vorzeitigen Rückführung kommt
f. frühzeitige Abstimmung mit den Gesellschaftern über mögliche Sanierungsschritte.

Related posts